Sehr trocken und ausgesprochen mild
Neuer Kälterekord der Erde: Ein Rekord, der keiner ist!

Bilanz: Recht trocken mit 88 % Regen - außerordentlich mild / Abweichung: + 3,0 Grad
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Zum Auftakt der Adventszeit sah es noch so aus, als wolle sich der Weihnachtsmonat beim Wetter recht durchschnittlich entwickeln: Ein Kaltluftvorstoß brachte kurz vor dem Nikolaustag erst Sturm und dann die erste dünne Schneedecke dieses Winters. Der hatte allerdings bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt tagsüber keinen Bestand und schmolz rasch wieder dahin. Und kurz darauf ging es mit den Temperaturen wieder bergauf und fortan wechselten sich Nebel und Sonne ab, nachts gab es ab und zu leichten Frost und etwas Reif. Erst kurz vor Weihnachten brachten Wetterfronten wieder Regen und Wind, aber Winterwetter mit Schnee und Frost mochte sich bis zum Jahresende nicht mehr einstellen.
Mildester Tag war in Marburg und vom Ebsdorfergrund bis zum Amöneburger Becken ausgerechnet der 24. mit fast 13 Grad, aber auch im höher gelegenen Hinterland reichte es an Heiligabend immerhin noch für zweistellige 11 Grad. Kältester Morgen war der 3. mit minus 3 Grad, am Erdboden wurden sogar je nach Lage minus 6 bis minus 8 Grad erreicht. Dennoch schlugen die milden Tagesstunden insgesamt stärker zu Buche, sodass die monatliche Durchschnittstemperatur auch während dieser vergleichsweise kühlen Phase immer noch über dem Klimamittel verharrte. Der dann im letzten Monatsdrittel erfolgte Temperaturanstieg auf geradezu frühlingshafte Werte, erhöhte dieses Temperaturplus auf rund 3 Grad, womit der Monat insgesamt schon außergewöhnlich mild bilanzierte.
Bei der Zahl der Sonnenstunden hielt sich der Dezember im oberen Normalbereich. Die monatliche Sonnenscheindauer lag knapp 10 Prozent über dem Klimamittel. Geiziger zeigte sich der Monat dagegen beim Niederschlag: So kamen in Marburg nach einer sehr trockenen Vorweihnachtszeit erst zu den Weihnachtstagen wieder größere Niederschlagsmengen zusammen. Immerhin reichte es noch für insgesamt 88 Prozent der nach dem langjährigen Mittel zu erwartenden Regen- oder Schneefälle. Zuvor war bis zum vierten Adventssonntag kaum ein Drittel des monatlichen Regensolls gefallen.
Kaum ins Gewicht fällt diese Niederschlagszugabe allerdings bei der Jahresbilanz: Die lag mit 731 Liter pro Quadratmeter in Marburg um rund 12 Prozent über dem jährlichen Klimamittel, das Jahr war damit feuchter als normal, das Regensoll bereits in den ersten Novembertagen erfüllt. Beim Sonnenschein vermochten die freundlichen Sommermonate den ausgesprochen trüben Jahresauftakt allerdings nicht ganz ausgleichen, sodass 2013 bei der Zahl der Sonnenstunden mit etwa 92 Prozent leicht hinter dem Klimamittel zurückblieb. Die Durchschnittstemperatur lag dagegen mit 9,54 Grad wiederum leicht über dem Klimamittel von 8,9 Grad. Das Jahr 2013 war im Raum Marburg also feuchter und letztlich auch etwas wärmer als im Durchschnitt der Jahre.
Möglicherweise wird dies auch für die Bilanz der weltweiten Durchschnittstemperatur dieses Jahres gelten. Darauf deuten zumindest erste Abschätzungen aus bereits vorliegenden Datensätzen hin, wobei aber bei der Bewertung globaler Messdaten stets Vorsicht geboten ist, weil diese zu einem guten Teil ja von Satelliten aus dem Weltall ermittelt werden. Und Satellitendaten sind nunmal ihrer indirekten Erfassung wegen mit auf der Erde gemessenen Werten nur sehr bedingt vergleichbar. Trotzdem werden aus solchen Datensätzen bedauerlicherweise nicht immer auch die wissenschaftlich korrekten Schlussfolgerungen gezogen, vor allem dann nicht, wenn sich mit ihnen vermeintliche Sensationsmeldungen in den Medien inszenieren lassen.
Dazu ein Beispiel aus jüngster Zeit: Am 8. Dezember 2013 gaben Wissenschaftler des National Snow and Ice Data Center (NSIDC) in Boulder, USA, nach Auswertung von Satellitendaten bekannt, sie hätten auf der Antarktis mit minus 93,2 Grad für den 10. August 2010 einen neuen weltweiten Kälterekord ermittelt. Der bisherige Kälterekord der Erde von minus 89,2 Grad stammt von der russischen Antarktis-Forschungsstation Wostok, wo dieser Wert am 21. Juli 1983 - freilich in der üblichen Messhöhe von zwei Metern über Grund - gemessen worden ist.
Das Problem mit dem vorgeblich "neuen" Rekord: Satelliten ermitteln nicht die Temperatur der LUFT, sondern lediglich die Temperatur der Erdoberfläche, in diesem Fall also der Oberfläche der Schneedecke. Sie sind daher keinesfalls (!) mit der üblicherweise in zwei Meter Höhe vorgenommenen Messung der LUFT-Temperatur vergleichbar. Der Grund: Die Temperaturdifferenz zwischen Luft in zwei Meter Höhe und der Oberfläche von Eis oder Schnee kann in windschwachen, klaren Winternächten ohne weiteres fünf bis zehn Grad oder sogar noch mehr betragen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die LUFT-Temperatur am Ort des jetzt behaupteten, neuen Kälterekordes mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich oberhalb der in Wostok gemessenen minus 89,2 Grad gelegen hat. Anderslautende Vermutungen der NSIDC-Forscher sind reine Spekulation und keine wissenschaftlichen Ergebnisse. Von einem "neuen Kälterekord" kann also nicht die Rede sein!
Deshalb bleibt selbstverständlich auch der alte, offizielle Kälterekord der Forschungsstation Wostok allen anderslautenden Verlautbarungen zum Trotz zumindest solange weiter gültig, bis erdgebundene Wetterstationen in der weltweit genormten Messhöhe von zwei Metern über Grund tatsächlich einen tieferen Temperaturwert der LUFT registrieren. Nach wissenschaftlichen Spielregeln existiert der von der NSIDC vermeldete neue "Kälterekord" jedenfalls definitiv nicht.
Mit derart medienwirksam ertricksten Sensationsmeldungen erweisen die Forscher allerdings auch der Ernsthaftigkeit der Klimadebatte einen Bärendienst: Auch dort ist es gängige Praxis, zur Untermauerung von behaupteten Veränderungen der weltweiten Temperaturen immer wieder moderne Satelliten-Messverfahren heranzuziehen, obwohl solche Verfahren auch dort entweder nicht oder nur bedingt mit zurückliegenden Klimadatenreihen vergleichbar sind. Denn die hochmodernen Fernerkundungs-Verfahren stehen erst seit wenigen Jahrzehnten zur Verfügung, sodass Referenzwerte insbesondere über den riesigen Flächen der unser Klima maßgeblich steuernden Weltmeere kaum existieren. Dessen ungeachtet werden Klimaänderungen für einen guten Teil unseres Planeten auf Basis solcher Satellitendaten ganz einfach hochgerechnet und liefern so nicht nur skeptischen Klimawissenschaftlern, sondern auch den Lobbyisten der allein gewinnorientierten, fossilen Industrie ohne Not veritable Steilvorlagen.
Meldungen wie der vermeintlich "neue Kälterekord" der Erde sind daher keinen Deut seriöser als etwa die beharrlich alle geowissenschaftlichen Erkenntnisse ignorierende Behauptung der fossilen Industrie, ihr hemmungsloses Wirken bliebe ohne Folgen für die Klimaentwicklung unseres Planeten ...
Marburg, am 31.12.2013
Herzlichst, Ihr Jürgen Vollmer
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