Sibirische Frostluft zum Klimagipfel
Machtvoller Wintereinbruch brachte viel Vorweihnachtsschnee
Bilanz: Feucht mit 130,4% Regen/Schnee -
etwas zu kalt Abweichung: -0,36 Grad
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Rein klimatisch betrachtet war der Dezember 2009 im Marburger Umland nicht sonderlich auffällig. So ließ sich die Sonne durchschnittlich selten blicken, die Niederschlagssumme bewegte sich leicht über dem Normalbereich und auch die Temperaturen blieben mit einer Abweichung von knapp einem halben Grad nur wenig hinter den langjährigen Mittelwerten zurück. Damit geht der Dezember 2009 als überaus durchschnittlich in die Annalen der Klimatologen ein.
Bei der Detailbetrachtung offenbart der erste Wintermonat indessen ein ganz anderes Gesicht: Einem außergewöhnlich milden ersten Monatsdrittel folgte in der zweiten Dekade ein markanter Wintereinbruch mit eisigen Minusgraden. Sibirische Frostluft strömte von Osten her auf direktem Weg nach Mitteleuropa und ließ die Temperaturen kurz nach der Monatsmitte schier ins Bodenlose stürzen.
Mit minus 17 Grad in Marburg und sogar minus 19 Grad im Ebsdorfergrund startete der vierte Advent so eisig wie seit Jahren nicht mehr, tags zuvor hatten die Höchstwerte nur minus 11 bzw. minus 12 Grad erreicht. Bemerkenswert ist dabei, dass die Kältewelle nicht nur Deutschland, sondern auch weite Teile West- und Südeuropas erfasste. Die bis dahin wochenlang dominierende Südwestwindströmung hatte sich komplett umgedreht und so blies kurioserweise ausgerechnet zum Weltklimagipfel in Kopenhagen auch den Mahnern vor der drohenden Erderwärmung bitterkalte Frostluft ins Gesicht.
Mit der extremsten Kälte kam auch der Schnee. So verwandelten 4 Zentimeter feinsten Pulverschnees das schon tagelang gefrorene Marburger Land in eine Winterlandschaft wie aus dem Bilderbuch. Teiche und Seen wurden von Eis überzogen und sogar an ruhigen Uferabschnitten der Lahn bildete sich das erste Eis dieses Winters. Am vierten Advent schneite es dann erneut, diesmal kräftiger, und so wuchs die vorweihnachtliche Schneedecke bald auf stattliche 10 bis 15 Zentimeter Höhe an.
Aus der "Weißen Weihnacht" sollte jedoch auch diesmal nichts werden. Zwei Tage vor Heiligabend wehte wieder mildere Luft heran und ließ die Temperaturen nach 9 Tagen Dauerfrost über den Gefrierpunkt steigen. Auch dieser Wandel vollzog sich recht spektakulär: Erst gab es nochmals mehrere Zentimeter Schneezuwachs, dann sorgte Regen auf den gefrorenen Böden für gefährliches Glatteis und schließlich ließ Tauwetter die vorweihnachtlichen Schneedecken schrumpfen, so dass die Weihnachtstage wie so oft letztlich nur auf den umliegenden Bergen winterlich weiß verliefen. Auch in der anschließende Zeit "zwischen den Jahren" mochte sich kein neuerlich strenger Frost mehr einstellen, wenngleich die Temperaturen stets in der Nähe des Gefrierpunkts verharrten.
So bleibt die Frage nach dem weiteren Gebaren des Winters: Die Erfahrung zeigt, dass ungewöhnliche Wetterlagen in leicht abgewandelter Form gerne wiederkehren. Dies gilt umso mehr, wenn die antreibenden Grundkonstellationen nach wie vor andauern. Im Fall des Kälteeinbruchs im Dezember war dies eine stark gestörte Zirkulation der Höhenwinde im nordatlantisch-europäischen Raum. Über dem Polargebiet hatte sich ein mächtiges Hoch gebildet und alle Tiefdruckgebiete auf ungewöhnlich südlichen Bahnen in Richtung Mittelmeer umgelenkt.
Die Neigung zu südlichen Zugbahnen der atlantischen Tiefs blieb im großräumigen Strömungsmuster indessen trotz des Weihnachtstauwetters erhalten und auch der hohe Luftdruck bei Grönland war nie völlig verschwunden. Somit konnte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Strömungen abermals kippen und arktische Luftmassen sich erneut einen Weg nach Mitteleuropa bahnen würden. Pünktlich zum Jahreswechsel war es schließlich so weit: Abermals näherte sich von Norden her Frostluft, die noch in der Silvesternacht spätestens zum Neujahrsfeuerwerk auch das Marburger Land wieder erreichen dürfte. Ob die beschriebenen Störungen im Windsystem mit der unlängst erwähnten Anomalie der Wassertemperaturen im Nordatlantik in Zusammenhang stehen ist allerdings nach wie vor ungeklärt.
Marburg, am 31.12.2009
Herzlichst, Ihr Jürgen Vollmer
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