Herbst bremste Altweibersommer aus
Gibt früher Herbst erste Hinweise für weiteren Kaltwinter?
Bilanz: Normal feucht und mit 97,2% Regen - Deutlich zu kalt, Abweichung: -1,56 Grad
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Wer sich vom September noch einen Nachschlag des in diesem Jahr viel zu früh geendeten Sommers erhofft hatte wurde herbe enttäuscht. Trotz ein paar wenigen Tagen mit strahlendem Sonnenschein und milden Temperaturen vermochte sich der Altweibersommer nicht dauerhaft gegen die hartnäckige Übermacht kühler und wolkenreicher Luftmassen durchzusetzen. Wie zuvor auch schon im August übernahmen immer wieder Tiefausläufer die Wetterregie und sorgten für sehr wechselhafte Witterung.
So blieben die Temperaturen im Marburger Land im Durchschnitt etwa anderthalb Grad hinter den langjährigen Mittelwerten zurück. Dabei war es am 12. und am 22. mit jeweils knapp 23 Grad am wärmsten, die niedrigsten Werte wurden in der Nacht zum 19. gemessen, wo das Quecksilber in Marburg (ebenso wie später auch am 30.) auf knapp unter 4, im Ebsdorfergrund auf 2 und in Biedenkopf sogar auf nur noch 1 Grad über dem Gefrierpunkt sank. Dort reichte es an diesem kalten Morgen am Erdboden sogar schon für geringen Frost mit dem ersten Reif.
Immerhin entsprach die in der Region gefallene Regenmenge mit rund 40 bis 50 Litern pro Quadratmeter weitgehend dem Durchschnitt der Jahre. Da es aber von nur kurzen, trockenen Phasen unterbrochen an insgesamt 20 Monatstagen regnete, wurden allfällige Feldarbeiten wie schon im nassen August immer wieder behindert und auch die Qualität vieler Herbstfrüchte litt unter der vorwiegend feuchtkühlen Witterung.
So mag es überraschen, dass die Zahl der Sonnenstunden im September trotz des so unbeständigen Wetters nur unbedeutend hinter den langjährigen Sollwerten zurück blieb und somit den klimatischen Mittelwerten nahezu entsprach. Schuld daran war die an den wenigen Schönwettertagen vorwiegend kühle und trockene Nordluft. Sie dämpfte die nächtliche Nebelbildung, so dass die Sonne - anders als an den meist vernebelten Vormittagen eines warmen Altweibersommers - oft schon von der Frühe an scheinen konnte.
Alles in allem zeichnete sich der erste Herbstmonat jedenfalls wie zuvor auch schon der August durch einen eher ungewöhnlichen Witterungsverlauf aus. So zeigte die Großwetterlage weiterhin auffällige Abweichungen vom "normalen" Muster in der so genannten Westwindzone der gemäßigten Breiten. Nach wie vor dominierten blockierende Wetterlagen mit südlichen, östlichen oder nördlichen Winden, wogegen sich westliche Winde immer nur bei Wetterwechseln und nur für kurze Zeit einstellen mochten.
Damit setzte sich die schon im vergangenen Winter begonnene Störung der normalen atmosphärischen Strömungsverhältnisse fort und mit ihr die Tendenz zu einer drastischen Verminderung des Einflusses gemäßigter, atlantischer Winde. Setzt sich diese Entwicklung über den Herbst hinaus fort, könnte das gestörte Windmuster in Europa möglicherweise auf einen weiteren Kaltwinter zusteuern. Der klimatische Vorteil, den die Warmwasserheizung "Golfstrom" für Europa normalerweise mit sich bringt kommt nämlich nur dann zum Tragen, wenn westliche Winde die atlantischen Luftmassen weit ins Binnenland transportieren. Wird diese ausgleichende Windströmung jedoch für längere Zeit blockiert, geht der Klimavorteil verloren und der Einfluss kontinentaler Witterungstypen nimmt zu.
Noch ist es freilich zu früh, um aus den aktuellen Beobachtungen auf die Frühstadien eines kalten Winters zu schließen. Sollte dem unterkühlten September jedoch ein insgesamt warmer und trockener Oktober folgen, wäre dies ein weiteres, starkes und auch von der vergleichenden Statistik gestütztes Indiz dafür, dass der kommende Winter wie schon sein Vorgänger hierzulande wieder kälter ausfallen könnte, als wir dies von den zumeist milden Wintern der vergangenen zwei Jahrzehnte gewohnt sind.
Marburg, am 30.09.2010
Herzlichst, Ihr Jürgen Vollmer
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