Betonhoch schrieb Wetterrekorde
Außergewöhnlich viel Sonne und extreme Herbsttrockenheit
Bilanz: Extrem trocken mit 3,5 % Regen - durchschnittlich mild / Abweichung: +0,33 Grad - ungewöhnlich sonnig / Vergleich Klimamittel: ca. 175 %
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Dieser Spätherbst wird uns noch lange in Erinnerung bleiben: Im trockensten Novembermonat seit Aufzeichnungsbeginn hat es in weiten Teilen Mitteleuropas nicht einen Tropfen geregnet. Abgesehen von gelegentlichem, nicht messbarem Nebelnässen, Tau oder Reif blieb es bis zum 27. staubtrocken. Der Grund: Ein außergewöhnlich beständiges Hoch lag den ganzen Monat lang wie ein riesiger Regenschirm über Mitteleuropa und hielt sämtliche Wetterfronten von der Marburger Region fern. Aber auch danach brachten zwei schwache Wetterfronten nur wenige Tropfen, insgesamt reichte es nur noch für 2,1 Liter pro Quadratmeter.
Begonnen hatte die so ausdauernde Schönwetterperiode bereits im September und hielt von nur kurzen Unterbrechungen abgesehen sodann mehr als zwei Monate an. Hätte sich ein solches Betonhoch im Hochsommer bei uns eingenistet, so hätte es im Zusammenspiel mit ebenso hartnäckiger Hitze eine katastrophale Dürre zur Folge gehabt. Und nur deshalb, weil die Kraft der Spätherbstsonne inzwischen nur noch moderate Temperaturen hervorzubringen vermag, bleibt uns dieses Szenario jetzt erspart.
Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit bescherte uns der wochenlange, meteorologische Stillstand allerdings Sonne im Überfluss: So brachte es der November auf ein Sonnenscheinplus von rund 75 Prozent und das obwohl viele Tage zunächst mit klassischem Novembergrau begonnen hatten. Aber die vorwiegend von Süden oder Osten heranwehende Luft enthielt so wenig Wasserdampf, dass sich die Nebelschwaden meist bis zum Mittag wieder lichten und der Sonne weichen konnten. Dies hat nicht nur in Mittelhessen nunmehr einen der "goldensten" Novembermonate zur Folge, der je in der Region beobachtet wurde.
Lediglich bei den Temperaturen bewegte sich der November voll im Normalbereich. Sie lagen nur geringfügig über den klimatologischen Mittelwerten. Während die Tage zu Monatsbeginn mit Höchstwerten über 15 Grad noch sehr mild waren, stellten sich zur Monatsmitte wiederholt frostige Nächte ein. Am wärmsten war es am 6. mit 18 Grad in Marburg und im Ebsdorfergrund und 17 Grad im Hinterland. Frostigster Morgen war der 15. mit minus 4 Grad in Marburg und sogar teils unter minus 5 Grad im Umland. Insgesamt brachte der Monat bereits 9 Nächte mit Frost und immerhin sogar 15 Nächte, in denen es nur am Boden gefror. Dabei bildete sich jedoch Reif und Autoscheiben mussten frei gekratzt werden.
Stellt sich die bange Frage, ob der so außergewöhnliche Witterungsverlauf dieses Herbstes womöglich schon eine Folge des schleichenden Klimawandels sein könnte? Die Antwort ist: Wir wissen es nicht. Zwar sagen die Klimaforscher für Teile Europas langfristig eine signifikante Zunahme blockierender Wetterlagen voraus, welche - wie jetzt beobachtet - durchaus einen Trend zu extremen Witterungsperioden nach sich ziehen könnten, andererseits haben sich aber auch schon in früheren Jahrzehnten besonders dauerhafte Hochs gebildet und die atlantischen Wetterfronten wochenlang von Zentraleuropa fern gehalten.
So bleibt abzuwarten, ob sich so ungewöhnliche Wetterkonstellationen wie im Frühling und Herbst dieses Jahres in Zukunft tatsächlich häufen werden oder ob es sich dabei – einmal mehr – nur um eine zufällige Laune der Natur gehandelt hat. Rückblickend betrachtet lässt sich jedenfalls festhalten, dass uns der so feuchte und wechselhafte Hochsommer 2011 allem Verdruss über den Mangel an Sonne zum Trotz höchst wahrscheinlich vor Schlimmerem bewahrt hat: Wäre nämlich auch der Sommer trocken und vielleicht sogar heiß verlaufen, müssten wir uns inzwischen mit Sicherheit Sorgen über sinkende Grundwasserpegel machen.
So bleibt nur zu hoffen, dass der Winter das enorme Regendefizit dieses wettertechnisch so ungewöhnlichen Jahres halbwegs ausgleichen wird, denn das schlägt in der Region mittlerweile schon mit einem veritablen Minus von rund 200 Liter pro Quadratmeter zu Buche, einer Summe, die der hier mittleren Regenspende von knapp vier Monaten entspricht.
Marburg, am 30.11.2011
Herzlichst, Ihr Jürgen Vollmer
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